„Mein Herz trägt schwarz“

von Carolin Heilig

In ganz Polen sind an diesem Schwarzen Montag Frauen einem Streikaufruf gefolgt und haben auf Demonstrationen in polnischen Städten ihren Unmut über den gegenwärtig im polnischen Parlament behandelten Abtreibungsbann bekundet. Unterstützt wurden sie von polnischen Männern und Solidaritätsbekundungen aus dem Ausland. Tausende Frauen waren in allen größeren Städten an den Protesten beteiligt. Die Proteste schlossen sich den am Wochenende landesweiten Demonstrationen an, zu denen das Aktionsbündnis Ratujmy kobiety („Lasst uns die Frauen retten“) aufgerufen hatte.

Protestiert wurde in Warschau von etwa 30.000 Teilnehmenden vor der Parteizentrale der regierenden PiS-Partei sowie der Altstadt, in Krakau auf dem Marktplatz, in einer Fahrradkolonne in Breslau, einfach in der Schule oder zuhause. Frauen in ganz Polen nahmen sich am vergangenen Montag einen Urlaubstag, gingen nicht zu Vorlesungen oder in den Unterricht oder ließen schlichtweg die Hausarbeit ruhen. Zahlreiche Streikende setzten sich morgens noch vor den Demonstrationen für einen guten Zweck ein und gingen etwa Blut spenden. Diejenigen, die nicht aktiv an Demonstrationen oder Happenings teilnehmen konnten, zeigten ihre Unterstützung durch schwarze Kleidung. Der Schwarze Montag, der an den Schwarzen Donnerstag von 1956 erinnert, symbolisiert die Trauer um den Verlust von weiblicher Selbstbestimmung und auch um Frauen, die möglicherweise aufgrund einer Gesetzesverschärfung ihr Leben verlieren könnten.

Gesetzesvorhaben eingebracht durch Volksbegehren

Auslöser für den landesweiten Protest waren zwei durch Volksbegehren eingebrachte Gesetzesprojekte, die am 23. September im polnischen Sejm behandelt wurden. Während das Gesetzesprojekt des konservativen Ordo Iuris Stiftung zur Verhandlung in den zuständigen Ausschuss weitergeleitet wurde, scheiterte ein liberalerer Gegenentwurf von Ratujmy Kobiety bereits in der ersten Lesung an der national-konservativen Sejm-Mehrheit.

Das aktuelle Abtreibungsgesetz von 1993 erlaubt einen Schwangerschaftsabruch lediglich in drei Fällen. Bis zur zwölften Schwangerschaftswoche darf im Falle einer Schwangerschaft in Folge eines Verbrechens, bei Gefährdung von Gesundheit und Leben der Mutter oder bei der Feststellung einer unheilbaren Krankheit oder schwerer und unumkehrbarer Behinderungen des Fötus abgetrieben werden.

Um die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes abzuwenden (durch eine fehlende Mehrheit oder ein Aussitzen im Senat ist das juristisch noch möglich), hatten frauenrechtliche Verbände und Organisationen zu einem Generalstreik aufgerufen. Die Anliegen der Protestierenden sind unterschiedlich. Viele von ihnen fordern nicht unbedingt eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes, sondern wenden sich insbesondere gegen das Abtreibungsverbot von Vergewaltigungsopfern und den Generalverdacht von Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben.

Ebenfalls große Sorgen bereitet die geplante Verschärfung des Abtreibungsgesetzes, das eine Abtreibung bei Gefahr für das Leben der Mutter zulässt. „Ich möchte zumindest selbst entscheiden können, ob ich abtreiben möchte oder zwei Kinder ohne Mutter hinterlassen werde“, so eine junge Mutter, die mit ihrem Ehemann und Baby an der Samstagsdemonstration in Thorn teilnahm. Die Studentin Asia, 20, aus Breslau argumentiert, dass keine Frau gezwungen werden sollte, eine Heldin zu spielen. Betroffene Frauen und Familien müssten sich bewusst entscheiden können, ob sie den Mut dazu haben, mit der Lebensgefahr zurechtzukommen.

Grund der Demonstrationen ist nicht allein das drohende Abtreibungsverbot

Die Protestbewegung richtet sich jedoch nicht nur gegen ein verschärftes Abtreibungsgesetz. Informationsstände, wie etwa der der Organisation Protest kobiet in Warschau, informierten Protestierende und Vorbeigehende am Montag nicht nur über Frauenrechte und Diskriminierung, sondern auch über Verhütung und Geschlechtskrankheiten. Damit wurde dem Ruf nach besserem und differenzierterem Aufklärungsunterricht in polnischen Schulen Rechnung getragen. Die Studentin Magda, 21, aus Warschau berichtete, der erste Aufklärungsunterricht habe erst in der Mittelschule stattgefunden, in dem den Schülerinnen und Schülern als bestes Verhütungsmittel die Abstinenz bis zur Ehe nahelegt wurde. Ausführlicher Aufklärungsunterricht zu Verhütungsmitteln sei erst in der Oberstufe geleistet worden.

Protest richtet sich zudem gegen das Einstellen von Subventionen für In Vitro Fertilisation und der geplanten Nutzung der Gelder für Bildungsprojekte rund um die „natürliche Schwangerschaft“. Protestierende fürchten zudem eine weitere Erschwerung im Zugang zu Verhütungsmitteln. Während der Liberalisierungsentwurf, der im Parlament scheiterte, Subventionen für die Pille vorsah, fordern Konservative in Polen mittlerweile sogar ein komplettes Verhütungsverbot. Diese Bedrohungen für ein selbstbestimmtes Leben von Polinnen werden von den Protestierenden ernst genommen.

Einige der Protestslogans richteten sich direkt gegen den PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński („Jarosław, moje ciało, moja sprawa“ – „Jarosław, mein Körper, meine Sache“), andere wandten sich direkt gegen die Einmischung und Dominanz der polnischen katholischen Kirche in der Debatte („Moja macica nie twoja kaplica“ – „Meine Vagina ist nicht deine Kapelle“). Sprechchöre wie „Demokracja jest kobietą“ („Demokratie ist eine Frau“) machten zudem klar, dass Polinnen genug davon haben, dass über ihren Kopf hinweg über ihr Leben und ihren Körper bestimmt wird.

„Der schwarze Montag ist ein wirklich wichtiger Tag für polnische Frauen. Vielleicht ist es ein Anzeichen für ein Umdenken über Frauen- oder auch nur Menschenrechte im modernen Polen. Am Montag werde ich an meiner Universität eine Vorlesung zu Feminismus besuchen. Wir werden Krawallmusik hören, uns unterhalten, Spaß haben und gemeinsam wütend sein. […] Mein Herz wird am Montag schwarz tragen“, erklärte die Singer-Songwriterin Agata, 24, im Vorfeld.

Die Frauen sind nicht allein

Unterstützung kommt auch von männlicher Seite. „Ich denke, dass Frauen die Möglichkeit haben sollten, zu entscheiden. Ich unterstütze die feministische Bewegung, auch wenn ich keine Gebärmutter habe“, so der Student Guilherme, 20, auf der Demonstration in Warschau. Viele Männer unterstützten die Proteste, indem sie die Arbeit von Frauen übernahmen oder mit schwarzer Kleidung Solidarität demonstrierten.

Der Protest ergoss sich auch im Internet. Unter den Hashtags #CzarnyProtest, #CzarnyPoniedzialek und #BlackMonday wurden Bilder, Filme und Statements geteilt. Manche Facebooknutzer änderten ihre Profilbilder schlichtweg in eine schwarze Fläche um.

Auch Prolife-Organisationen versammelten sich zum Gegenprotest, wenngleich in überschaubarer Zahl und abgeschirmt von der Polizei. Sie hielten Banner mit Horrorbildern von abgetriebenen Föten und lächelnden Kindern den Buhrufen der schwarzen Menge entgegen. Befürworter und Befürworterinnen eines Abtreibungsbannes stellen das Recht des ungeborenen Lebens in den Vordergrund. „Ein Kind, das Ergebnis einer Vergewaltigung ist, ist nicht schuldig. Warum sollte es getötet werden?“ so die bekannte Theaterregisseurin und -schauspielerin Krystyna Janda in einem Onlinestatement.

Den Vorwurf, eine Mörderin zu sein, musste sich Studentin Magda anhören, die in ihrem Studiengang eine der wenigen Schwarzgekleideten war. „Dabei würde ich selbst nie abtreiben. Aber wie kann ich einschätzen, wie eine Schwangere nach einer Vergewaltigung denkt und fühlt?“ Magda unterstützt eine Beibehaltung des jetzigen Abtreibungsgesetzes. Viele Protestierende betonten, dass sie nicht für Abtreibung, sondern für eine freie Wahl für Frauen seien. Die Frauen in Polen streikten und protestierten aus unterschiedliche Gründen. Eines hatten sie aber gemeinsam. Ihre Herzen trugen schwarz an diesem Schwarzen Montag.

Unsere Gastautorin Carolin Heilig studiert in Tübingen und lebt derzeit in Warschau, wo sie ein Praktikum absolviert.