Eine Wanderung durch die “Polnische Sahara”

Meterhohe Dünen, idyllische Fischerdörfer, weißer, endloser Sand und flach abfallender Ostseestrand: Diese Eindrücke lassen sich in einem ca. 35 Kilometer langen Küstenabschnitt an der polnischen Ostseeküste finden. Rund 100 Kilometer nordwestlich von Danzig, zwischen den beiden Ortschaften Łeba (Leba) und Rowy (Rowe) gelegen, erstreckt sich der Słowiński Park Narodowy (Slowinzischer Nationalpark). Den Beinamen „Polnische Sahara“ verdankt dieser 1977 von der UNESCO zum Welt-Biosphärenreservat ernannte Nationalpark seinen bis zu 42 Meter hohen Wanderdünen, die jedes Jahr einige Meter landeinwärts „wandern“. Neben den markanten Wanderdünen bietet der Nationalpark dank seiner Fichtenwälder und der beiden Seen „Łebsko” und „Gardno” eine artenreiche Flora und Fauna (rund 250 Tierarten).

Łeba – Tor zum Slowinzischen Nationalpark

Spuren des Ortes reichen bis ins 10. Jahrhundert zurück. Damals lag die Stadt noch unmittelbar an der Ostseeküste, allerdings trugen zahlreiche

Reste der alten Kirche St. Nikolai, Foto: Polen.pl (CS).

Überschwemmungen, Stürme sowie die Bedrohung durch die Wanderdünen zur Zerstörung des Ortes bei, sodass im 16. Jahrhundert Łeba landeinwärts neu errichtet wurde. Heute erinnert nur noch ein Fragment der St. Nikolai-Kirche an den Standort „Alt-Łebas“.

Gegenwärtig ist Łeba mit seinen zahlreichen kleinen Fischerhäusern, flachen Sandstränden, seiner gut ausgebauten Gastronomie und zahlreichen Rad- und Wanderwegen ein beliebtes Ferienziel und der ideale Startpunkt für einen Ausflug in den Nationalpark. Für den ca. acht Kilometer weiten Weg zur 42 Meter hohen Łączka Góra (Lontzkedüne) stehen neben den angesprochenen ausgebauten Rad- und Wanderwegen zahlreiche Fahrradverleihe sowie Elektrotaxen bereit.

In diesem Artikel möchte ich über einen Ausflug zu Fuß berichten, für den der Bahnhof von Łeba den Startpunkt darstellt. Es geht über die Straße ul. Henryka Sienkiewicza, die später in die ul. Turystyczna mündet. In Höhe der Pension „Bar Delfin“ biegt man links auf den „szlak czerwony“ (den roten Pfad), welcher den Weg in den Nationalpark weist. Schon bald findet man sich inmitten von Fichtenwäldern, die besonders im Sommer wertvollen Schatten spenden.

Die erste Sehenswürdigkeit lässt nicht lange auf sich warten: Nach ca. drei Kilometern erreicht man die kleine Ortschaft Rąbka (Rumbke). Hierbei lädt einerseits eine Ausstellung des Naturkundemuseums zum Verweilen ein, andererseits genießt man vom dortigen Aussichtsturm einen wundervollen Blick über den Łebsko-See sowie über den Nationalpark. Wer es etwas bequemer mag, kann auch bis nach Rąbka mit dem Auto fahren, es dort auf einem Parkplatz abstellen und zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit einer Elektrotaxe den Nationalpark erkunden.

Nach einer kurzen Rast geht es nun weiter über den roten Pfad zu einem Platz, der an das dunkelste Kapitel deutsch-polnischer Geschichte erinnert. Etwa auf halbem Weg zwischen Łeba und der Lontzkedüne befindet sich das ehemalige Raketenversuchsgelände der Wehrmacht, wo im Zweiten Weltkrieg Raketen des Typs „Rheintochter“ bzw. „Rheinbote“ getestet wurden. Nach dem Krieg wurde das Gelände von polnischer Seite zur Erforschung der Höhenatmosphäre mittels der Höhenforschungsraketen „Meteor-1“, „Meteor-2“, „Meteor-3“ genutzt. Heute befindet sich dort ein Museum, welches die Thematik dieser Einrichtung mit einigen Exponaten behandelt.

Weiter geht es über den roten Pfad – das Highlight der Wanderung rückt immer näher: Die Fichtenwälder lichten sich zunehmend, der Boden wird immer sandiger, die ersten kleinen Dünen werden sichtbar und schon bald erhebt sich die Lontzkedüne vor einem in die Höhe. Wer die Spitze dieser Düne erreicht, merkt schnell, dass der Slowinzische Nationalpark seinem Beinamen „Polnische Sahara“ alle Ehre macht.

Sand soweit das Auge reicht, der an manchen Sommertagen eine Temperatur von bis zu 50 C° erreichen kann. Hier wird man Zeuge eines unbarmherzigen Kampfes der Naturkräfte. Die an die Dünen angrenzende Vegetation wird durch den Sand schlichtweg „überrollt“. Was zurückbleibt, sind abgestorbene, teils bizarr verformte Baumreste, die dem ständigen Wind und Sand nicht trotzen konnten. Wendet man sich nun der Seeseite zu, lässt sich bereits die Ostsee erblicken. Nach einem kurzen Spaziergang lädt sie mit ihrem flach abfallenden Strand zu einer Abkühlung ein. An diesem Strandabschnitt befindet sich eine Weggabelung – folgt man weiterhin dem roten Pfad, so hat man nach rund 27 Kilometern Rowy erreicht und befindet sich am westlichen Ende des Nationalparks. Wählt man den grünen Pfad (zielony szlak turystyczny), erreicht man nach einer ca. acht Kilometer langen gemütlichen Strandwanderung den Ausgangspunkt des Ausflugs – Łeba. Dort kann man nun den Ausflug in einer der gemütlichen Bars oder Restaurants bei frischem Ostseefisch gemütlich ausklingen lassen.

Praktische Tipps

Anreise:

Je nachdem, ob man in den Hauptferienmonaten (Juni-August) oder in den übrigen Monaten anreist, gibt es einiges zu beachten. Zwar besitzt Łeba einen eigenen Bahnanschluss, dieser ist aber nur während der Sommerferien in Polen (27.06.15 – 31.08.15) aktiv. Eine Anreise mit der Bahn aus Danzig beispielsweise erfordert einen Umstieg in Lęborg (Lauenburg). Außerhalb der Sommerferien ist eine Weiterfahrt nach Łeba von Lęborg nur mit Bussen möglich. Doch auch der Busverkehr ist außerhalb der Sommerferien stark eingeschränkt. So gibt es von Danzig aus nur in den Sommerferien eine direkte Busverbindung nach Łeba. Von Gdingen (Gdynia) aus kann man außerhalb der Sommermonate lediglich an den Wochenenden Łeba direkt anfahren. Für eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Danzig aus müssen für die etwa 100 Kilometer lange Strecke ca. drei Stunden eingeplant werden.

Das Haus auf dem Kopf schult den Gleichgewichtssinn. Foto: Polen.pl (CS).

Unterkunft:

Łeba bietet ein breites Portfolio an Unterkunftsmöglichkeiten. Von einfachen, aber freundlich eingerichteten Gästezimmern bis hin zum luxuriösen, direkt am Strand gelegenen Hotel „Neptun“ ist für jeden etwas dabei. Allerdings kann es in den Sommermonaten zu Engpässen kommen, sodass eine rechtzeitige Buchung sinnvoll ist.

Eine Auswahl weiterer Attraktionen:

  • Eine Schifffahrt über den Łebsko-See zum Museumsdorf Kluki (Klucken)
  • Besuch des Labyrinths in Łeba
  • Das Haus auf dem Kopf
  • Der Fischerei- und Yachthafen
  • Hochseilgarten

Fazit:

Auch wenn die Anreise nach Łeba mit dem „Bummelzug“ und auf nicht immer perfekt ausgebauten Straßen etwas an eine „Ochsentour“ erinnert, so macht ein Aufenthalt in der „Polnischen Sahara“ diese mehr als wett. Der Charme eines kleinen Fischerstädtchens mit seinen zahlreichen touristischen Angeboten und eine einmalige Naturlandschaft machen einen Urlaub in Łeba zu einem ganz besonderen Erlebnis. In den Sommermonaten kann es am Strand „etwas eng“ werden. Wer sich mehr Ruhe und Abgeschiedenheit wünscht, reist außerhalb der Saison an – auch da kann man noch Glück mit dem Wetter haben, wie diese in der ersten Septemberhälfte aufgenommen Bilder beweisen.