Mit dem Boot aus Polen in die Welt

Glänzend hochpolierte Yachtrümpfe, sichtschutzgetönte Kajütenscheiben, silbern schimmernde Relingkonstruktionen auf den Sonnendecks, leistungsstarke Bootsmotoren: Auf der im November 2013 stattgefundenen Messe ‘Boot & Fun’ in Berlin reihte sich ein luxuriöses Wasserfahrzeug an das andere. Joyboat, Vikoyacht oder Sky-Yacht lauten die Schriftzüge, die ziemlich hoch über den Schultern der Messebesucher entlang des Bugs der schicken Boote zu lesen sind. Hört man dem Stimmengewirr auf den Ausstellerständen zu, so sind polnische Wortfetzen unter den Besuchern, als auch unter den Ausstellern nicht selten. Zum Beispiel haben Joyboat, Vikoyacht und Sky-Yacht die polnische Herkunft der Boote gemeinsam.

Relevante Rolle der polnischen Bootsindustrie

Zumindest nach einem Rundgang über die Messe (der Link führt immer zur Ausstellung des aktuellen  Jahres), die nach eigenem Bekunden ‘die ganze Welt des Wasser- und Outdoorsports’ präsentieren möchte, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Bootshersteller in Polen diese Messe für wichtig halten. Knapp 20 Aussteller gibt die Suchfunktion nach Ausstellern mit polnischem Hintergrund aus, davon sind natürlich nicht alle Kompletthersteller von Yachten. Im Vergleich zu den insgesamt 650 Ausstellern ist die Zahl auch nicht riesig, aber: Bei den Herstellern eher mittelpreisiger Wasserfahrzeuge trifft man beim Rundgang auf viele polnische Anbieter.

Darunter gibt es wie die Firma Sky-Yacht aus Smolec Trendsetter, die elektrisch betriebene und damit ökologisch korrektere Boote produzieren. Dort bekommt man, wie ein teilweise etwas zu direkt aus dem Polnischen übersetzter Prospekt informiert, einen schwimmenden Computer fürs Freizeitgewässer: Steuerung per Smartphone, einen großen Bildschirm mit Visualisierungen der Arbeit der Akkus und des Motors, Joystick-Bedienung und Bluetooth-Audiosystem. Das Boot, das sich sehr modern präsentiert, ist vergleichsweise günstig zu haben. Ähnlich wie auch eine Segelyacht vom gleichen Hersteller, die optisch an den für Übungszwecke beliebten ‘Optimist-Jollen’ erinnert, aber natürlich größer und ebenfalls elektrisch betrieben gefahren werden kann. Mit dem Unternehmen Starboats ist auch ein Hersteller von Bootsantrieben vertreten, auch dieser bietet Elektroantriebe an.

Hausboot aus Polen

Wer dann doch gleich ein ganzes Boot kaufen möchte, findet auf der Messe auch deutlich teurere Angebote. Zum Beispiel ein in Polen gefertigtes Hausboot beziehungsweise ein geräumiges Boot für komfortable Fahrten, welches auch von Hausbootanbietern in Polen eingesetzt wird.

Hausboot aus Polen

Diese Firmen präsentieren sich praktischerweise gleich mit auf der Messe und preisen ihre Routen, ihre Leihstationen und ihre verfügbaren Hausboote. Etwas günstiger als die für ein Hausboot schon anzulegenden 50.000 Euro sind die schicken Segelyachten von der Firma Viko aus Poznań (Posen) zu bekommen, für die man natürlich auch mehr Geld ausgeben kann.  Und es geht auch noch teurer, wenn man sich für ein Boot mit polnischer Herkunft entscheiden möchte: Der Hersteller Imexus aus Tomaszów Mazowiecki bietet auch elegante Segelyachten von einer Länge bis zu 12 Metern, deren Preis je nach individuellem Wunsch auch etwas höher sein kann.

Neben den Bootsherstellern und den Anbietern von Hausboot-Touren in Polen präsentieren sich in Berlin auch Segelmacher und Zubehöranbieter. Besonders sichtbar sind auf der Ausstellung aber auch die wasserreichen Regionen: Die Region rund um das Stettiner Haff stellt sich beispielsweise in verschiedenen Standabschnitten, sowohl für die polnische wie auch für die deutsche Seite, als Wassersportrevier vor. Westpommern wird als ‘Land der Gewässer’ vermarktet und zum Beispiel der Weichsel-Werder-Ring als über 300 Kilometer lange Wassersportroute für Hausbootführer, Paddler oder Motorbootreisende. Wassersport, so scheint es, zeigt sich als aufstrebender Markt sowohl für die Tourismusbereiche Polens, wie auch für die produzierende Wirtschaft.

Ein nicht sofort sichtbarer Markt

Wer also bei den Stichworten ‘Polen’ und ‘Schiffbau’ an die großen Werften Danzigs denkt, auf denen die Solidarnosc-Bewegung ihren Ursprung fand, springt heute etwas zu kurz. Die großen Werften sind zumeist bereits geschlossen oder deutlich verkleinert. Stattdessen entstehen immer mehr kleinere Bootsbaubetriebe, die etwas verniedlichend auch als ‘Boutique-Werften’ bezeichnet werden. Einschlägige Verzeichnisse (etwa Profinautic)listen mehr als 40 polnische Yachthersteller auf, die eine noch höhere Zahl an Modellen auf dem Markt haben. Die Regierung spricht in einem Online-Beitrag von über 1.000 produzierenden Herstellern im Yachtbereich, rund 6.000 Wasserfahrzeuge würden jährlich gefertigt. Primär würde, so lässt sich lesen, exportiert. Vor allem Deutschland, Frankreich, Norwegen und die Niederlande seien Abnehmer der polnischen Yachten. Einige Hersteller seien mittlerweile auch international gut aufgestellt und bestückten mit ihren teilweise außergewöhnlich designten Yachten auch die Luxushäfen beispielsweise in den USA oder in arabischen Regionen. Der Marktführer und der Verfolger, die Firmen Galeone und Delphia, sind auf der Berliner Messe übrigens gar nicht vertreten.

Ein weiterer Hersteller mit einem kleineren Boot.

Das Portal ‘The Best in Poland’ ermittelt Polen gar als Vizeweltmeister im Yachtbau, auch wenn die Kriterien auf der Website dafür nicht ganz klar sind. Klar ist aber, dass der Markt groß und relevant für Polen ist – obwohl die großen Werften ihren Glanz verloren haben. Schon 2011 ermittelte die Unternehmensberatung KPMG bei einer Untersuchung zu Luxusgütern das Potenzial Polens im Bereich Yachtbau: Viele gut ausgebildete Experten, eine gute Struktur und insbesondere viel Know-how beim Bau kleinerer Yachten unter 10 Metern ließen schon in diesem Bericht die Aussage erscheinen, dass Polen im Bereich kleinerer Yachten Vizeweltmeister im Yachtbau sei. 2009, so der Bericht, verfügte Polen noch über 900 Yachtbauer und wurde in Europa nur durch Großbritannien übertroffen. Im Vergleich seien die polnischen Werften gar nicht so klein und erzielten im Schnitt mehr Umsatz als viele Betriebe zum Beispiel in Portugal oder Schweden. In Bezug auf das realisierte Umsatzvolumen rangierte Polen allerdings 2009 nur auf Rang acht, deutlich hinter Norwegen, Frankreich und Deutschland. Knapp 15.000 Menschen ernährte die Branche schon vor vier Jahren, heute dürften es noch mehr sein. Die Absatzzahlen brachen 2009 im Zuge der Finanzkrise ein, so die Studie. Bis heute sind sie noch nicht wieder ganz auf dem Niveau von den Rekordjahren 2007 und 2008; das zeigen die Zahlen eines Branchenverbandes. Die Zahlen der Regierung weichen davon ab, die Kernaussage ist aber gleich: Bis auf einen Rückgang 2009 gibt es positive Tendenzen.

Segeln und Bootssport sind populär

Wassersportrebion Deutsch-Polnisch

Sehr populär ist das Yachtsegeln oder motorbetriebene Yachtfahren auch in Polen selbst. Der Trend geht auch hier vermehrt zu größeren Booten, die sowohl auf Binnengewässern wie auch auf der Ostsee zum Einsatz kommen. Damit ist auch die Inlandsnachfrage auf diesem Markt hoch, was im Zusammenhang mit zumindest regional und branchenweise steigenden Einkommenshöhen zu einem weiteren Marktwachstum führen wird. Dennoch ist der Export nach den aktuell vorliegenden Zahlen der stärkere Treiber für die Entwicklung dieser Branche, die man normalerweise

beim Blick auf Polen nicht im Fokus hat. Das hat auch Einfluss auf andere Wassersportarten: Zum Beispiel gibt es immer mehr Trendsportarten, die von polnischen Unternehmen bedient werden. So kann man beispielsweise ein Kiteboard mittlerweile schon von mehreren Herstellern aus Polen bekommen.

 

Einige Links zu Herstellern und Anbietern, die in diesem Beitrag genannt wurden: Sky-Yacht, Viko Yachts, Imexus Yachts, Galeon Yachts, Delphia Yachts, Polen-Hausboote, Messe Boot & Fun Berlin

 

Artikel aktualisiert am 10.12.2017.