Pole und Ungar zwei Brüderlein…

Wer erwartet, dass nun ein politischer Artikel über Polen und Ungarn in der EU folgt, der sieht sich getäuscht.

Die Worte in der Überschrift sind nämlich der Beginn eines bekannten Sprichwortes, der sowohl in Polen als auch in Ungarn eine auf den ersten Blick etwas ungewöhnliche Freundschaft beider Völker einläutet. Beide Staaten hatten lange Zeit zwar eine gemeinsame Grenze,  doch beide Staaten gehören verschiedenen Volksgruppen an, beide sprechen unterschiedliche Sprachen.

Hier die Polen, die zu den Westslawen zählen, da die Magyaren mit Ihrer Sprache, die weder mit dem Slawischen, Germanischen noch dem Romanischen verwandt ist.

Woher kommt es also, dass diese beiden Völker zu „Zwei Brüderlein, im Kämpfen und im Trinken, beide wacker beide lebhaft, möge Gottes Segen mit ihnen sein“  geworden sind?

 

Blick in die Geschichte

Die ersten Berührungen zwischen Polen und Ungarn gehen auf das 10. und 11. Jahrhundert zurück, als beide Länder noch eigenständige Königreiche mit einer gemeinsame Grenze waren. Doch diese Grenze war, anders als in anderen Teilen Europas üblich, kein Zankapfel sondern ein Brücke. Eine Brücke um gegenseitig Handel zu treiben sowie sich beizustehen in Auseinandersetzungen mit vornehmlich dem Heiligen Römischen Reich.

Ungarisches Parlamentsgebäude

Diese Verbundenheit wurde noch durch die Polnisch-Ungarische Personalunion im Jahr 1370 verstärkt, als ungarische oder polnische Könige beide Länder beherrschten. So ist als Beispiel Jadwiga Andegaweńska (Hedwig von Anjou), Tochter des ungarischen Königs Ludwig I zu nennen. Nach seinem Tod bestieg sie den polnischen Thron und wurde zur einzigen Frau auf dem Königlichen Thron in der polnischen Geschichte. Später heiratete sie den litauischen Großfürsten Władysław II. Jagiełło, dem späteren Sieger der legendären Schlacht von Tannenberg 1410 (Bitwa pod Grunwaldem). Bis heute wird Jadwiga in Polen als Heilige verehrt, da sie zu Lebzeiten sich besonders um die Alten und Kranken kümmerte.

Die folgenden Jahrhunderte waren erneut durch kriegerische Auseinandersetzungen, vornehmlich gegen das aufstrebende Osmanische Reich geprägt. Das Königreich Ungarn erlitt in der Schlacht bei Mohács (1526) gegen die Osmanen eine vernichtende Niederlage. Als Konsequenz dessen, fiel es unter die Herrschaft des Habsburger Reichs.

Blick auf die Warschauer Altstadt sowie die alte Stadtmauer

Zur selben Zeit galt das Polnische Königreich, fest  von der Jagiellonen-Dynastie beherrscht, als eine europäische Großmacht. Bis heute wird diese Epoche in Polen als das „Goldene Zeitalter“ bezeichnet. Doch auch das sollte nicht von langer Dauer bleiben.

 

Jahre unter der Fremdherrschaft und Neuzeit

Auch Polen musste ab 1795 das traurige Los der Fremdherrschaft über sich ergehen lassen. Die drei Nachbarmächte Preußen, Russland sowie Österreich-Ungarn machten sich die innere Schwäche der Polnischen Adelsrepublik zu Nutze und teilten das Land unter sich auf.

Auch wenn Ungarn sich nun im Machtbereich der Habsburger befand, so hatte das keinen negativen Einfluss auf die Beziehungen beider Völker untereinander. Im Gegenteil – beide Völker versuchten Aufstände gegen ihre Fremdherrscher, wenngleich diese erfolglos blieben. So gelten der Novemberaufstand in Polen von 1831 sowie der Aufstand in Galizien von 1846 als Inspiration für den ungarischen Aufstand von 1848/-49. Nicht wenige polnische Aufständische fanden Zuflucht auf ungarischem Gebiet. Im Gegenzug fanden sich polnische Freiwillige in den Reihen der Ungarn 1848 wieder. Der polnische General Józef Bem führte den Aufstand an und gilt bis heute in Ungarn als Nationalheld.

Beide Länder mussten sich jedoch bis zum Ende des Ersten Weltkrieges „gedulden“ bis sie endlich wieder eigenständige Staaten wurden. Als Polen bereits 1920 sich im Krieg gegen die Bolschewisten befand, waren die Ungarn eines der wenigen Länder, die Beistand leisteten.

Als vor dem Zweiten Weltkrieg Ungarn auf die Seite der Achsenmächte trat, hätte man meinen können, dass damit die Zeit der gegenseitigen guten Beziehungen zu Ende ist. Doch selbst diese Zeit überstand das polnisch-ungarische Verhältnis, da Ungarn von Anfang an eine Beteiligung an einem Angriff auf Polen kategorisch ablehnte. So  machte der ungarische Premier Pál Teleki klar, dass es eine Frage der Ehre sei, nicht am Angriff auf Polen teilzunehmen. Nachdem die Niederlage des Polnischen Heeres im September 1939 feststand, konnten sich knapp 130.000 Zivilisten und Soldaten nach Ungarn retten.

Polnischer Präsidentenpalast

Auch zur Zeit des Kommunismus galten weder Polen noch Ungarn als „Sozialistische Musterschüler“. Besonders das Jahr 1956 ist maßgeblich für die Freundschaft beider Völker. Im Juni 1956 brach in Poznań (Posen) ein Aufstand gegen das kommunistische Regime aus. Die arbeitende Bevölkerung protestierte gegen Misswirtschaft, mangelhafte Versorgung und Repressalien – das kommunistische Regime antwortete auf brutalste Art mit Waffengewalt. Im Oktober 1956 gingen von der Budapester Universität Kundgebungen der Solidarität mit der polnischen Bevölkerung aus, die schließlich in den Ungarischen Voksaufstand mündeten. Auch hier fiel den kommunistischen Hardlinern nichts Besseres ein, als Panzer rollen zu lassen. Die Polen wiederum haben eine beispiellose Kampagne ins Leben gerufen. Sie haben sich mit Blutspenden, Medikamenten sowie Lebensmitteln an der Linderung der leidenden ungarischen Bevölkerung beteiligt. Heute geht man davon aus, dass der Wert aller Spenden 2 Millionen USD entspricht – kein Land hat mehr gespendet. Nicht zu vergessen ist, dass beide Länder auch den Anstoß für die Beseitigung des Kommunismus gaben. Polen hatte mit der Solidarność Bewegung den ersten großen Schritt gelegt, während Ungarn das erste Land war, welches seine Grenzen öffnete. Anschließend folgten schwierige Jahre im „Turbokapitalismus“. Der gemeinsame Beitritt zur NATO (1999) und 5 Jahre später in die EU sind zweifellos positive Aspekte.

 

Und heute?

Es wird vielfach von Freundschaften unter verschiedenen Völkern gesprochen. Manche Völker galten früher als Erbfeinde, manche Nachbarstaten mistrauen sich bis heute.

Budapest bei Nacht

Doch die polnisch-ungarischen Beziehungen sind besonders. Beide Länder hatten mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Da war sicherlich die etwas ungünstige geopolitische Lage und die damit einhergehenden Begehrlichkeiten fremder Mächte. Beide Länder sahen sich viele Jahre einer Fremdherrschaft ausgesetzt. Doch beide Völker haben sich in dieser Zeit nicht aus den Augen verloren und taten alles um Ihre Freiheit wiederzuerlangen. Heute haben beide Länder keine gemeinsame Grenze mehr. Fragt man allerdings gewöhnliche Menschen oder Politiker beider Länder welches Land sie besonders sympathisch finden, ist die Antwort vielfach dieselbe. Daher haben im März 2007 beide Parlamente einstimmig den 23. März als den Tag der Polnisch-Ungarischen Freundschaft beschlossen.

Und jeder kennt es auswendig:

Polak, Węgier — dwa bratanki, i do szabli, i do szklanki, oba zuchy, oba żwawi, niech im Pan Bóg błogosławi.

Lengyel, magyar — két jó barát, együtt harcol s issza borát.