Polnische Filme beim goEast Festival

Zum 19. Mal präsentiert das goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films in Wiesbaden und Umgebung vielfältiges Filmschaffen aus Mittel- und Osteuropa. Vom 10. bis 16. April werden insgesamt 103 Filme aus 39 Ländern gezeigt, darunter 23 Deutschlandpremieren, drei Internationale Premieren und eine Weltpremiere.

Besonderer Fokus liegt in diesem Jahr auf dem begleitendem Rahmenprogramm. Festivalleiterin Heleen Gerritsen erklärt dazu: „Wir haben unser Rahmenprogramm ausgebaut und dabei Kulturvereine mit Osteuropaschwerpunkt aktiv bei der Organisation mit einbezogen. So wollen wir das Festival mehr in die Stadt und Region hineintragen.“ Beim Paneuropäischen Picknick auf dem Wiesbadener Schlossplatz am Samstag hatten dann auch einige Kulturvereine ihre Stände aufgebaut. Bei Musik und regionalen Spezialitäten gab es Gelegenheit zum Austausch zwischen Stadtgesellschaft und Festivalbesucherinnen. Ganz nach dem Motto der Festivalleiterin: „Wir wollen nicht nur über, sondern mit den Menschen reden.“

Filmstill aus ETER ©goEast

Im Filmprogramm des Festivals sind wie jedes Jahr auch wieder einige polnische Filme vertreten. Besonders sticht dabei die Hommage an Krzysztof Zanussi anlässlich seines 80. Geburtstags hervor. Er ist einer der einflussreichsten Filmschaffenden Polens und als ehemaliger Jurypräsident schon viele Jahre mit dem goEast-Festival verbunden. In der ausführlichen Retrospektive werden acht seiner Filme gezeigt; das Programm spannt sich von Zanussis Abschlussfilm an der Filmhochschule in Łódź ŚMIERĆ PROWINCJAŁA (Tod eines Provinzials, 1965) bis hin zu seinem aktuellen Werk ETER (Äther, 2018). Am Sonntag ist er in Wiesbaden zu einem Werkstattgespräch über sein Leben und Werk zu Gast.

In der Reihe Bioskop war am Samstag außerdem die deutsch-polnische Koproduktion GRANICZNE CIĘCIE (Grenzschnitt, 2018) zu sehen. Anlässlich der Deutschlandpremiere war auch Regisseur Igor Chojna anwesend. Der Dokumentarfilm zeigt den Arbeitsalltag von Friseurin Halina und ihrer Angestellten Andżela im Grenzdorf Osinów Dolny. Auf 200 Bewohnerinnen und Bewohner im Dorf kommen 43 Friseursalons, die höchste Friseur-Dichte der Welt.

Filmstill aus GRANICZNE CIĘCIE ©goEast

GRANICZNE CIĘCIE beginnt mit langen, unbewegten Bildern, die das menschenleere Osinów Dolny zeigen. Dazu ertönt eine blecherne Lautsprecherdurchsage; eine automatisierte Stimme sagt auf Polnisch und Deutsch die aktuellen Öffnungszeiten der Friseursalons durch. Im Laufe des Films werden über die Lautsprecher auch Rabattaktionen für Seniorenschnitte und der Lotto-Jackpot durchgesagt, außerdem wird ein Gottesdienst mit Segnung für die Friseurinnen live übertragen. Das erzeugt maßgeblich die absurd-komische Grundstimmung, die auch innerhalb Halinas Salon anhält. Oft sind es kleine Handlungen, wie das minutenlange Aufsprühen von Haarspray, die voller Situationskomik stecken.
Halina selbst ist eine pragmatische Frau, die zu allem eine Meinung hat. Besonders scharfzüngig kritisiert sie Andżela, die sie weniger wie eine Angestellte als wie eine Tochter behandelt. Regisseur Igor Chojna beschreibt die Beziehung der beiden als dysfunktional und gleichzeitig voller Liebe. Doch Halina und Andżela tratschen auch gemeinsam: etwa über Kunden, Kolleginnen oder Schlagzeilen aus der Zeitung. Dabei mischen sich in ihren Klatsch immer wieder auch ernste Themen wie Glaube, Mutterschaft und gescheiterte Ehen. Und auch die deutschen Kunden erzählen Privates und Ernstes aus ihrem Leben. Einige von ihnen stammen aus der Region und sind als Vertriebene nach Deutschland gekommen. So wird durch die Geschichte der Friseursalons im Dorf auch die gemeinsame Geschichte der beiden Länder thematisiert. Aber auch Vorurteile über das jeweilige Nachbarland kommen nicht zu kurz und bereichern den Film um einige amüsante Momente.

Das Ausbleiben jeglichen Off-Kommentars erzeugt größtmögliche Nähe zu den gezeigten Personen und ermöglicht erst den intensiven Einblick in das Lebensgefühl der beiden Friseurinnen. Aber der Film liefert auch über ihre Geschichte hinaus genaue und liebevolle Beobachtungen eines deutsch-polnischen Miteinanders.

 

Interessierte können noch bis Mittwoch, 17. April das goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films besuchen. Überblick über noch kommende Filme in polnischer Sprache (jeweils mit englischen Untertiteln):

Sonntag

  • UCIECZKA Z KINA “WOLNOŚĆ” (Die Flucht aus dem Kino Freiheit”, Wojciech Marczewski 1990) – Programmkino Rex Darmstadt 18:00
  • ETER (Äther, Krzysztof Zanussi 2018) – Museum Wiesbaden 18:30 – anschließend Werkstattgespräch mit Krzysztof Zanussi
  • DIABŁY, DIABŁY (Teufel, Dorota Kędzierzawska 1991) – Murnau-Filmtheater Wiesbaden 22:00

Montag

  • ŚMIERĆ PROWINCJAŁA (Tod eines Provinzials, Krzysztof Zanussi 1965) + STRUKTURA KRYSZTAŁU (Die Struktur des Kristalls, Krzysztof Zanussi 1969) – Caligari FilmBühne Wiesbaden 13:30
  • CONSTANS (Ein Mann bleibt sich treu, Krzysztof Zanussi 1980) – Murnau-Filmtheater 20:00